Schon wenig Übergewicht schädigt das Herz

Das „Adipositas-Paradoxon“ besagt, dass leichtes Übergewicht gesundheitliche Vorteile habe. Eine neue Studie erschüttert diese These jedoch.

Immer wieder kamen epidemiologische Studien in den letzten Jahren zu dem Schluss, dass ein paar Kilogramm mehr Körpergewicht vorteilhaft für die Herz-Kreislauf-Gesundheit seien. Insbesondere steigert ein erhöhter Body-Mass-Index (BMI) demzufolge die Lebenserwartung von Patienten, die bereits an chronischer Herzinsuffizienz, arterieller Hypertonie, koronarer Herzkrankheit oder Diabetes Typ 2 erkrankt sind. Generell sei es vor allem für ältere und noch fitte Menschen empfehlenswert, sich ein paar „überflüssige“ Kilogramm zuzulegen. Da andere Studien wiederum eindeutig den (proportionalen) Zusammenhang zwischen Übergewicht und kardiovaskulären Erkrankungen belegen, spricht man vom „Adipositas-Paradoxon“.

„Der Forschung ist es bisher nicht gelungen, das Adipositas-Paradoxon gänzlich zu entschlüsseln. Bei einigen chronischen Erkrankungen scheint Übergewicht tatsächlich Vorteile zu bieten. Klar ist aber auch, dass Übergewicht und Fettleibigkeit das Risiko, überhaupt erst zu erkranken, erhöhen“, erläutert der Herzmediziner Peter Hoffmann, der in Berlin-Prenzlauer Berg praktiziert. „Und das gilt auch schon für geringes Übergewicht, wie schottische Forscher kürzlich belegt haben.“

Damit spielt Herzspezialist Hoffmann auf eine Studie der Universität Glasgow an, deren Ergebnisse vor einigen Wochen im „European Heart Journal“ publiziert wurden. Die Wissenschaftler werteten Daten von rund 300.000 Menschen aus dem Zeitraum 2006 bis 2015 aus. Bei Studienbeginn waren die jüngsten Teilnehmer 40, die ältesten 69 Jahre alt. Verzerrende Risikofaktoren wie Hypertonie oder Rauchen wurden aus den Ergebnissen herausgerechnet.

Unterm Strich steht eine eindeutige Erkenntnis: „Je weniger Fett, insbesondere um den Bauch, desto geringer das Risiko für spätere Herzerkrankungen“, bringt Erstautorin Stamatina Iliodromiti sie auf den Punkt. Das geringste kardiovaskuläre Risiko haben der Studie zufolge Menschen mit einem BMI zwischen 22 und 23 (laut WHO beginnt Übergewicht bei 25, Adipositas bei 30). Der Taillenumfang spielt allerdings auch eine Rolle. Frauen haben mit 74 Zentimetern das geringste Risiko, Männer mit 83 Zentimetern. „Das ist die größte Studie, die dem Adipositas-Paradoxon bei gesunden Menschen widerspricht“, schlussfolgert Iliodromiti. „Möglicherweise kann das aber bei Menschen mit bestimmten Erkrankungen anders sein.“

Prinzipiell ist es also zu empfehlen, auf eine schlanke Linie zu achten. Wer bereits an einer Herz-Kreislauf-Erkrankung (oder einer anderen systemischen Erkrankung) leidet, sollte allerdings vor Diäten und/oder Sportoffensiven Rücksprache mit einem Arzt halten.