Kann Sport auch ungesund sein?

Es gibt keinen Zweifel daran, dass körperliche Aktivität der Herz-Gefäß-Gesundheit guttut. Zwei aktuelle Studien unterstreichen indes, dass die Gleichung „Mehr ist besser“ nicht immer aufgeht.

Wer bis ins hohe Alter fit und gesund bleiben möchte, sollte seinem Körper regelmäßig fordernde Bewegung zumuten. In zahlreichen Studien wurde eine Korrelation zwischen der körperlichen Aktivität und der Herzgesundheit belegt. „Grundsätzlich gilt dabei: Je mehr man sich bewegt, desto besser wappnet man sich gegen Herz-Kreislauf-Erkrankungen“, erläutert der in Berlin-Prenzlauer Berg praktizierende Kardiologe und Internist Peter Hoffmann. „Doch es gibt Ausnahmen von dieser Regel.“

Wie diese konkret aussehen, zeigen zwei kürzlich erschienene Studien – erneut – auf. So berichten belgische Forscher im „European Heart Journal“ von einem Vergleich dreier Gruppen: eine bestand aus „Sportmuffeln“, eine weitere aus Personen, die nach ihrem 30. Lebensjahr mit Ausdauertraining begonnen haben, und die dritte aus Probanden, die lebenslang intensiv solches Training betreiben. Das Durchschnittsalter lag bei 55 Jahren. Wie CT-Analysen ergaben, traten in der Gruppe der Intensivsportler am häufigsten Koronarplaques auf, nämlich bei fast 60 Prozent. Bei den Nichtsportlern waren es lediglich circa 50 Prozent. Dieser Befund stärkt die „Extreme-Belastungs-Hypothese“, wonach ab einem bestimmten Maß an körperlicher Beanspruchung die kardiovaskuläre Gefährdung wieder ansteigt, in Form einer U-Kurve. Insbesondere vorerkrankte Personen sollten diesen möglichen Effekt bei ihrer Trainingsplanung berücksichtigen.

Bewegung in der Freizeit vs. Bewegung bei der Arbeit
Eine weitere Ausnahme von der Regel, dass körperliche Aktivität gesundheitsförderlich ist, lässt sich aus der Copenhagen General Population Study ableiten – zumindest auf den ersten Blick. Mehr als 100.000 Personen wurden dafür über zehn Jahre begleitet. Bei jenen, die sich in ihrer Freizeit viel bewegten, war der zu erwartende Effekt zu beobachten: Ihr Risiko für schwere Herz-Kreislauf-Komplikationen lag um 15 Prozent, ihr Sterberisiko sogar um 40 Prozent unter den Werten für Menschen, die ihre Freizeit bewegungsarm gestalteten. Umgekehrt stellte es sich jedoch dar, wenn das Aktivitätslevel im Beruf betrachtet wurde: Mehr körperliche Aktivität bei der Arbeit ging mit einer deutlichen Risikoerhöhung einher (35 bzw. 27 Prozent).

Zur Erklärung dieses erstaunlichen Phänomens werden von Kommentatoren die sozioökonomischen Umstände ins Spiel gebracht. Körperlich anstrengende Berufe sind in der Regel mit einem tendenziell geringeren Bildungsniveau assoziiert, und dieses wiederum beeinflusst – über den Lebensstil – die Herzgesundheit. Wer einen solchen Beruf ausübt, ist beispielsweise mit größerer Wahrscheinlichkeit Raucher. In der dänischen Studie scheinen derartige Sozialfaktoren die Bewegungseffekte überlagert zu haben.