Braucht Deutschland die Widerspruchslösung bei der Organspende?
Noch immer müssen hierzulande Menschen verfrüht sterben, weil nicht genug Organe gespendet werden. Mehrere herzmedizinische Fachgesellschaften rufen deshalb dazu auf, dem Beispiel zahlreicher Nachbarländer zu folgen und eine Opt-out-Regelung einzuführen.
Etwa drei von fünf Spenderherzempfängern gewinnen durch die Transplantation zehn oder mehr Lebensjahre hinzu. Doch trotz dieser guten Prognose sind die schwerkranken Herzpatienten, die auf der Warteliste für ein Spenderorgan stehen – Anfang 2025 waren es in Deutschland über 660 Menschen –, einer quälenden Ungewissheit ausgesetzt. Denn nur rund jeder zweite von ihnen wird rechtzeitig ein rettendes Spenderherz erhalten. Und auch das nur mithilfe anderer Länder: Jedes achte der 350 im vergangenen Jahr hierzulande transplantierten Herzen stammte aus dem Ausland.
Der seit vielen Jahren herrschende Mangel an Spenderorganen setzt sich mithin fort. Nur zehn von einer Million Bundesbürgern haben sich zu einer Organspende bereiterklärt, viel zu wenige. „Jede und jeder sollte ernsthaft in Erwägung ziehen, ob eine Organspende für sie oder ihn infrage kommt. Ein Organspendeausweis ist im Handumdrehen ausgefüllt und kann das Leben eines Mitmenschen retten“, mahnt deshalb der Kardiologe und Internist Peter Hoffmann, der in Berlin-Prenzlauer Berg praktiziert.
„Jedes gespendete Organ ist ein potenzieller Neuanfang“
Forscht man nach der Ursache dafür, dass andere Länder einen Spenderorganüberschuss verzeichnen, während in Deutschland noch immer Patienten unnötigerweise verfrüht sterben, landet man schnell bei einem regulatorischen Unterschied: der Widerspruchslösung, die beispielsweise in Frankreich, den Niederlanden, Belgien, Italien und Österreich gilt. Wer dort nicht zu Lebzeiten aktiv widerspricht, gilt automatisch als Organspender. Eine solche Opt-out-Lösung fordern herzmedizinische Fachgesellschaften auch für Deutschland, etwa die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie (DGK), deren Past-President Prof. Holger Thiele eindringlich zur Organspende aufruft: „Jedes gespendete Organ ist ein potenzieller Neuanfang für ein schwerkrankes Kind oder eine Mutter oder einen Vater, die vielleicht sonst keine Chance auf Überleben hätten.“
Auch die Deutsche Gesellschaft für Herzchirurgie (DGTHG) unterstützt die Einführung einer Widerspruchslösung: „Die schriftliche Dokumentation des Willens zur Organspende wird in der Bevölkerung immer noch nur von einer Minderheit wahrgenommen, das müsste sich gravierend ändern. Seit März 2024 kann die Entscheidung für oder gegen eine Organspende im OrganSpendeRegister hinterlegt werden. Darüber hinaus könnte auch der Ersatz der bisherigen Zustimmungslösung durch die sogenannte Widerspruchsregelung einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung der Organmangelsituation liefern.“